Vorteil einer frühen Diagnose für die Kinder

Benjamin Köhler war von klein an viel krank und niemand wusste genau warum. Im Alter von sechs Jahren wurde er Diabetiker, mit 15 musste seine Milz entfernt werden, mit 35 lag er wegen einer Lungenentzündung mehrere Tage im künstlichen Koma und dann noch einmal mit 39 wegen einer Hirnhautentzündung, um nur einige Vorfälle zu nennen. Sein Lungenarzt riet ihm zur Abklärung am Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) des Universitätsklinikums Freiburg. Dort hatte Herr Professor Grimbacher einen Gendefekt im Verdacht, den seine Forschergruppe drei Jahre davor entdeckt hatte. „Das Krankheitsbild des Patienten passte wie eine Blaupause zur CTLA4-Defizienz“, sagt Herr Professor Grimbacher. Eine genetische Analyse bestätigte den Verdacht. Nach 40 Jahren konnte endlich die richtige Diagnose für den Sportwissenschaftler gestellt und eine passende Therapie mit einem Medikament in die Wege geleitet werden.

Einerseits war die Diagnose eine große Erleichterung – nicht nur für ihn, denn Benjamin Köhler hat vier Kinder. Andererseits war klar, die Krankheit wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent vererbt. Doch darum konnte er sich erst mal gar nicht kümmern, denn kaum war der Gendefekt gefunden, stand auch schon die nächste Diagnose fest: Krebs! Das bösartige Geschwür am Hals konnte zwar operativ entfernt werden, doch hatte im ganzen Körper gestreut. Eine Chemotherapie über ein halbes Jahr blieb erfolglos. Benjamin Köhler hatte nur noch eine einzige Chance: eine Stammzelltransplantation, bei der sein krankes Immunsystem durch das eines gesunden Spenders ersetzt wird. Der Clou: es bestand Hoffnung mit dieser Therapie beide Krankheiten, den Tumor und den Immundefekt, zu besiegen. Doch so ein Eingriff kann schwere Komplikationen haben und bis zum Tod führen. Der Familienvater hatte keine wirkliche Wahl, denn der Tumor war weit fortgeschritten. Er wollte leben, auch für seine Kinder.

Benjamin Köhler hatte Glück, denn es konnte schnell ein passender Spender gefunden werden. Wenig später wurde er im Oktober 2019 in der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Freiburg erfolgreich transplantiert. Er ist geheilt. „Ich habe den Berg erklommen, aber es ist nicht zu Ende“, sagt Benjamin Köhler heute. Inzwischen hat die Familie ihre vier Kinder genetisch untersuchen lassen. Bei den drei Töchtern im Alter von fünf, neun und 16 Jahren wurde der Gendefekt ebenfalls gefunden, nur der fünfjährige Zwillingssohn ist gesund. Die betroffenen Kinder, die auch schon Symptome haben, werden am CCI mit einem Medikament behandelt und regelmäßig beobachtet. Es ist ein Abwägen: die Risiken einer heilenden Stammzelltransplantation möchte die Familie nur in Kauf nehmen, wenn sich der gesundheitliche Zustand der Kinder verschlechtern sollte. „Bei meinen Kindern ist es genau anders herum, als bei mir, wir kennen die Ursache und können reagieren. Und am CCI sind wir in besten Händen“, sagt Benjamin Köhler. Er blickt optimistisch in die Zukunft, denn er weiß, dass seine Familie zusammenhält. Das war immer seine größte Stütze.