Nach 20 Verdachtsdiagnosen endlich die richtige Diagnose

Als Ann-Kathrin auf die Welt kam, war eigentlich schon in der ersten Nacht klar, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmt, erinnert sich ihre Mutter. Schon damals war ihre Nase zu und sie bekam schlecht Luft. Das war aber auch das Einzige was klar war. In den folgenden Jahren rätselten viele Ärzte was das Mädchen eigentlich hat. Es wurden rund 20 Verdachtsdiagnosen aufgestellt und wieder verworfen. Einmal sogar die richtige.

Wenn Ann-Kathrin krank war, waren es immer sehr merkwürdige Erkrankungen wie Eiterflechten oder Lymphdrüsenentzündungen. Typische Kinderkrankheiten hatte sie wenige, wenn dann aber mit einem sehr schwerwiegenden Verlauf. Mit Windpocken musste sie fast einen Monat in ein künstliches Koma versetzt werden. „Den schönen Helikopterflug von der Intensivstation einer Kölner Kinderklinik in die Uniklinik Aachen habe ich leider verschlafen“, sagt die junge Frau und schmunzelt. Aber die Lage war ernst, der rechte Lungenflügel hatte sich selbst zerstört und musste nach zwei mehrstündigen Operationen entfernt werden. Damals war Ann-Kathrin neun Jahr alt. Sie musste alles von vorne lernen: essen, sitzen, laufen. Obwohl sie fast ein Jahr kaum in die Schule gehen konnte, schaffte sie die Versetzung in die nächste Klasse. Nach der Grundschule ging sie wegen der vielen Krankheiten zunächst auf eine integrative Gesamtschule, wechselte aber von dort auf ein Mädchen-Gymnasium und machte das Abitur.

Ihre Krankheiten legten Ann-Kathrin dauernd Steine in den Weg. Immer wieder musste sie kämpfen, auch um die richtige Diagnose. Mit 16 Jahren stellte ein Arzt einen hohen Immunglobulin E (IgE)-Spiegel bei ihr fest, doch das Hyper-IgE-Syndrom wurde ausgeschlossen. Es vergingen noch mal zwei Jahre, bis eine molekulargenetische Diagnose endlich das Rätsel löste und bestätigte, dass sie doch an dieser seltenen Immunerkrankung leidet. Ihr Körper produziert von bestimmten Antiköpern (IgE) zu viele und von anderen Antikörpern gegen Bakterien, Viren und Pilze dagegen zu wenige.

Doch auch die richtige Diagnose bewahrte die junge Frau nicht vor gesundheitlichen Einbrüchen. Mit Mitte 20 hatte sie trotz Therapie ein halbes Jahr ununterbrochen Infekte der Lunge mit für sie untypisch hohem Fieber und einem extrem niedrigen Puls. Sie bekam mehrmals Antibiotikum. Ärzte schoben es auf ihre Psyche. Sie fühlte sich im Stich gelassen. Ihr Studium der pharmazeutischen Chemie musste sie pausieren. Da erfuhr sie vom Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) an der Uniklinik Freiburg. Unter der Betreuung von Prof. Dr. Bodo Grimbacher erhält Ann-Kathrin seit drei Jahren eine neue Medikamententherapie, eine Kombination aus täglicher oraler Antibiose, zweimal wöchentlicher subkutaner Injektion von Immunglobulinen und einmal im Jahr eine intravenöse Antibiose. Unterstützend inhaliert sie täglich, geht dreimal pro Woche zur Atemtherapie und macht so oft wie möglich Kraft- und Ausdauersport. Seitdem ist ihr Gesundheitszustand stabil, auch wenn sie nicht besonders belastbar ist. Endlich fühlt sie sich mit ihrer Erkrankung gut aufgehoben. Sie weiß es sehr zu schätzen, dass sie ihren behandelnden Arzt jederzeit auf dem Handy anrufen und um Rat fragen kann. Er hält die Fäden ihrer Krankengeschichte in der Hand. „In Deutschland gibt es nur etwa 80 Patienten mit Hyper-IgE-Syndrom, wovon wir ungefähr die Hälfte in unserem Institut behandeln“, sagt Prof. Dr. Bodo Grimbacher.

Ann-Kathrin blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. Ihr Studium konnte sie inzwischen fortsetzen. 2020 möchte sie ihren Master abschließen.