Langes Leiden trotz schneller Diagnose

Normalerweise gehen erfreuliche Patientengeschichten am Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) so: Die Patienten haben eine jahrelange Odyssee durch Praxen und Kliniken hinter sich haben, bevor sie am CCI endlich die richtige Diagnose und die passende Therapie bekommen. Geschichten mit Happy End. Bei Jürgen Sturm war das anders. Als er vor fast 40 Jahren in die Uniklinik Freiburg kam, war er eigentlich kerngesund. Nur dass sein ganzer Oberkörper voller blauer Flecken war, nachdem ihn seine Freundin beim Rumbalgen aus Versehen gebissen hatte. Durch die Fehldiagnose Morbus Werlhof-Syndrom und die dazugehörige Cortison-Behandlung, nahm der Sportstudent zwar erstmal von 80 auf 115 Kilo zu und musste sein Sportstudium abbrechen, aber zwei junge Ärzte stellten damals ziemlich schnell die richtige Diagnose: variables Immundefektsyndrom (CVID). Fortan bekam er einmal pro Monat eine intravenöse Immunglobulinersatztherapie in der Uniklinik. „Teilweise verlief es ziemlich chaotisch, manchmal spritzte mein Blut den Gang voll und ich kam erst nach Stunden wieder nach Hause“, erinnert er sich an die Anfangszeiten seiner Erkrankung. „Erst Jahre später mit der Gründung des CCI im Jahr 2008 wurde alles wesentlich einfacher, da es ab diesem Zeitpunkt eine Organisation mit Ansprechpartnern und einer eigenen Ambulanz gab“, sagt Jürgen Sturm.

Bis zu seinem 44. Lebensjahr führte er ein weitgehend normales Leben. „Das habe ich vor allem dem vielen Sport zu verdanken“, sagt er. Er fährt viel Fahrrad und geht oft laufen, absolvierte vier Halbmarathons. Er wurde Steuerberater und hat seit 15 Jahren eine eigene kleine Kanzlei in Freiburg. Die größte Stütze in seinem Leben ist seine Frau, die seit 40 Jahren zu ihm hält. Aus Angst vor der Vererbung der Erkrankungen haben sich die beiden erst spät für Kinder entschieden und eine Tochter und einen Sohn bekommen. Seine Tochter wurde gerade 22 Jahre alt, genau das Alter in dem seine Leidensgeschichte begann. Also doch noch eine Geschichte mit Happy End?

„Eigentlich ist alles gar nicht so positiv, wie es sich anhört“, sagt Jürgen Sturm. Wie er das meint? „Ich habe ein anderes Verhältnis zum Tod als andere 60-jährige. Er erschreckt mich nicht mehr, ich hatte ein Leben mit vielen Höhen und Tiefen.“

Die Krankheit zeichnete ihn über die Jahre. Immer wieder plagen ihn Lungenentzündungen, mindestens 15 Stück, und eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung. Einmal hatte er eine Blutvergiftung, ein anderes Mal Hautkrebs. Täglich muss er viele verschiedene Medikamente nehmen. Die intravenöse Immunglobulinersatztherapie führte im Verlauf der Zeit zu einer Nierenschwäche. Zeitweise war er die Therapie so leid, dass er sie abgebrochen hatte. Inzwischen führt er sie als subkutane Heimtherapie fort (dreimal pro Woche je zwei Stunden). All dies mündete mit 50 Jahren in einem Burnout. „Ich kann allen CVID-Patienten nur raten, sich möglichst von Anfang an psychologische Unterstützung zu holen“, betont Jürgen Sturm. Er sagt, er hilft gerne anderen Menschen und dass er sich selbst dabei vergisst. Wegen seiner Nierenschwäche könnte eine Dialyse auf ihn zukommen, für die er dreimal pro Woche in die Klinik gehen müsste. „Wie ich auch noch das schaffen sollte, weiß ich nicht.“